Die Welt so stille

„Wie ist die Welt so stille, und in der Dämmrung Hülle, so traulich und so hold!“

Klappentext

Mitten im Grauen des Deutsch-Dänischen Krieges erwächst eine zarte Freundschaft zwischen einem dänischen Soldaten und einem kleinen deutschen Mädchen.

Herzogtum Schleswig 1864: Die zehnjährige Line reißt von zu Hause aus, wo sie von ihrer alleinstehenden Mutter drangsaliert wird. Sie gerät in einen Proviantwagen der preußischen Armee, und die Irrfahrt durch die Wirren des Deutsch-Dänischen Krieges beginnt.

Der Däne Mads zieht in den Krieg, um eine alte Schuld zu sühnen. Seine geliebte Frau Bodil muss er allein zurücklassen. Doch schon bei den ersten Gefechten wird er verletzt und verliert den Anschluss an die Truppe.

Line wird zufällig zur Lebensretterin für Mads, und es beginnt eine ungewöhnliche Freundschaft, die sich in den darauffolgenden Monaten ein ums andere Mal beweisen muss. Mit dem Kampf um die Düppeler Schanze entscheidet sich nicht nur der Ausgang des Krieges, sondern auch ihrer beider Schicksal.

Übersicht

Autor: Jessica Weber

Verlag: Abacus Verlag

Sprache: Deutsch

Seiten: 323

ISBN: 978-3-86282-632-2

Genre: historischer Roman

Reihe: Nein

Rezension

Das Herzogtum Schleswig 1864 zu Beginn des deutsch-dänischen Krieges, Menschen die ihr ganzes Leben lang friedlich Seite an Seite gelebt haben, werden plötzlich zu Feinden. Mitten in dieser Zeit des Umbruchs treffen Line und Mads aufeinander. Zwischen dem jungen deutschen Mädchen und dem dänischen Soldaten entsteht schnell eine tiefe und ungewöhnliche Freundschaft. Gemeinsam trotzdem sie dem  Grauen des Krieges und kümmern sich umeinander.

Jessica Webers Schreibstil ist klar und direkt. Sie braucht keine ausschweifenden Beschreibungen um die Welt von Line und Mads für die Leser lebendig zu machen, sondern findet gezielt die treffende Worte. Ab und zu kommen kurze dänische Passagen vor, deren Bedeutung jedoch immer problemlos aus dem Kontext zu erschließen muss. An keiner Stelle stockt der Lesefluss, sodass sich das Buch wirklich angenehm lesen lässt.  Auch ohne eine gekünstelt altmodische Sprache zu verwenden, versteht es die Autorin das ereignisreiche Jahr 1864 vor den Augen ihrer Leser wieder auferstehen zu lassen.

 Die beiden Protagonisten des Buches sind Line und Mads.

Line ist ein 10-jähriges, deutsches Mädchen aus Schleswig. Als uneheliche, ungewollte und ungeliebte Tochter einer Magd war ihr Leben bisher nicht einfach. Ihr Vater, ein Knecht, hat sich nie um sie gekümmert. An die Schläge und Beleidigungen ihrer Mutter ist sie zwar gewöhnt, aber sie ist noch nicht abgestumpft genug, um diese auch klaglos hinzunehmen. Ihre Mutter hält sie deswegen erst recht für frech und vorlaut. Zuneigung oder gar Liebe hat Line von ihrer Mutter nie kennen gelernt. obwohl Line das Glück hat eine adlige Dame als Patin zu haben, die ihr den Schulbesuch finanziert hätte, hat ihre Mutter sie bereits nach dem ersten Schuljahr wieder von der Schule genommen und arbeiten lassen.  Doch Line ist klug, neugierig und wissbegierig.  Die dänische Sprache, in welcher der Schulunterricht in Schleswig abgehalten wird, hat sie förmlich in sich ausgesogen und auch sonst ist immer bereit etwas neues zu lernen. Line musste schon früh erwachsen werden, um sich gegen ihre Mutter behaupten zu können und ist deutlich reifer als die meisten anderen Mädchen in ihrem Alter.

Auch wenn ihre Mutter sie nicht gewollt hat, Lines jüngeren Schwestern bringt sie eine gewisse Zuneigung entgegen und zieht sie ihrer ältesten Tochter eindeutig vor.  Line reagiert darauf jedoch nicht mit Eifersucht, sondern ist froh, dass es ihre Schwestern nicht ganz so schwer haben. Auch wenn kleine Schwestern manchmal anstrengend und nervig sind, Line kümmert sich um ihre Geschwister so gut sie kann.

Ihr Fleiß, ihre Lernbereitschaft und ihr liebevolles Wesen haben Line den Respekt und die Zuneigung der anderen Arbeiter auf dem Gut eingebracht, die versuchen die Gemeinheiten von Lines Mutter zumindest ein wenig auszugleichen.

Als Line nach einem bösen Streit mit ihrer Mutter den Gutshof verlässt, um endlich Antworten von ihrem Vater zu bekommen, gerät sie erst in einen Gepäckwagen des preußischen Heeres und dann mitten in den Krieg. Auch wenn sie deutsche ist und er damit eigentlich ihr Feind, als sie den verletzten dänischen Soldaten Mads findet zögert Line keine Sekunde um ihm zu helfen. Denn Line kennt keine Nationalitäten, das Machtspiel der Monarchen interessiert sie nicht. Für Line gibt es nur Menschen und den guten Menschen wie Mads, denen hilft sie.

Mads ist Schleswiger, wie Line, doch anders als sie ist er Däne. Er fühlt sich schuldig für einen schlimmen Unfall aus seiner Kindheit und hat zu seinem Vater ein ähnlich schlechtes Verhältnis wie Line zu ihrer Mutter. In der verzweifelten Hoffnung, endlich den Respekt und die Anerkennung seines Vaters zu gewinnen, meldet sich Mads, der eigentlich Maurer ist, freiwillig als Soldat. Das er dafür seine geliebte Frau Bodil zurücklassen muss, nimmt er in Kauf, auch wenn es ihm das Herz zerreißt. Mads ist Line auch in anderer Hinsicht sehr ähnlich. Auch er sieht Menschen, keine Nationalitäten und tut sich schwer damit die preußischen Soldaten als Feinde und nicht als Söhne, Väter und Brüder zu sehen, die genau wie er in der Heimt schmerzlich vermisst werden. Für ein Leben als Soldat keine ideale Voraussetzung. Nachdem ihm Line begegnet ist, tut er alles, um sie zu beschützen und sicher durch die Grauen des Krieges und irgendwann wider nach Hause zu bringen. Mads hat zwar keine eigenen Kinder, aber Line wird für ihn zu der Tochter, die er sich immer gewünscht hat. 

Fazit

Seit Jahren lebe ich in Schleswig-Holstein, interessiere mich besonders für die dänische Geschichte, habe dänisch gelernt und sogar ein Auslandssemster in Kopenhagen gemacht. Mich mit einem Buch über den deutsch-dänischen Krieg zu begeistern ist also alles andere als einfach, den meine Ansprüche sind hoch. Jessica Webers hat meine Erwartungen jedoch übertroffen. Es ist wirklich gut und sorgfältig recherchiert, was mir sehr wichtig ist. Dabei ist es der Autorin sogar noch gelungen alltägliche Kleinigkeiten unterzubringen, die einfach zeigen wie viel Arbeit und Herzblut in diesem Buch stecken. Außerdem ist es wirklich gut geschrieben. Das Buch lädt praktisch dazu ein, in einem Rutsch verschlungen zu werden und es bis zum letzten Wort nicht wieder aus der Hand zu legen. Die Grauen des Krieges werden erschütternd genau beschrieben, ohne auch sich auch nur einmal in übertrieben grausigen Details zu verliere.

Und dann sind da natürlich noch Line und Mads. Die beiden ungewöhnlichen Protagonisten sind so liebevoll beschrieben, dass sie einem einfach ans Herz wachsen.

Auch wenn natürlich abzusehen war, dass mit dem Ende des Krieges auch das Ende des Buches kommt, hat es mich trotzdem traurig gemacht, als ich fertig war.

Wenn ihr auch nur das kleinste bisschen Interesse für einen historischen Roman aufbringen könnt, dann habt ihr ein Kleinod gefunden, das es sich wirklich zu lesen lohnt!