Morbus Konstantin

„Was gibt es schöneres als den Geruch von Elektrizität am Abend?“





Klappentext
1864. London ist eine Stadt im Umbruch. Eine seltsame Krankheit, die einige ihrer Opfer tötet und bei anderen eine Geschlechtsumwandlung auslöst, hat zu gesellschaftlichen Skandalen und Unruhen geführt. Technische Wunderwerke und Katastrophen wie mechanische Kurtisanen, die alchemistischen Feuer Whitechapels, elektrische Kutschen und in der Themse lauernde Säuremonster haben die Stadt unumkehrbar verändert.
Der Adlige Pembroke „Pimm“ Halliday, hat einen Hand zur Kriminologie, und nutzt seine scharfe Beobachtungsgabe, um sowohl der Polizei, als auch Privatpersonen beizustehen... zumindest, wenn er nüchtern ist. Ellie Skyler ist eine furchtlose Journalistin, getrieben vom Drang die Wahrheit aufzudecken, egal wo sie sich verbirgt.
Als Pimm und Skye über eine finstere Intrige stolpern,  die den berüchtigtsten Verbrecherboss der Stadt mit dem neuen Geliebten der Königin, dem berühmten Wissenschaftler Sir Bertram Oswald in Verbindung bringt, bekommen sie es mit der gehobenen Gesellschaft und der Unterwelt gleichermaßen zu tun. Können sie die Stadt vor den geheimnisvollen Ränken eines der größten Monster der Geschichte retten – und dabei den schockierenden Ursprung des Morbus Konstantin aufdecken?

Übersicht
Autor: T. Aaron Payton
Verlag: Feder und Schwert
Sprache: Deutsch, Übersetzung aus dem englischen
Seiten: 400
ISBN: 978-3-86762-188-5
Genre: Steam Punkt
Reihe: Nein

Rezension
London 1864, bahnbrechende Erfindungen auf den Gebieten der Elektrizität, der Dampfkraft und der Alchemie haben die Welt völlig verändert. Elektrische Busse fahren durch die Straßen, Whitechapel ist seit Jahrzehnten abgeriegelt, da dort ein unlöschbares alchemistisches Feuer wütet, elektrische und alchemistische Lampen erhellen die Nacht, gefangen Blitze werden zum kochen benutzt, Monster leben in der Themse und ständig kommen neue unglaubliche Entdeckungen hinzu.
Doch dann ist da noch Morbus Konstantin. Seit einigen Jahren verbreitet sich die, angeblich aus Konstantinopel stammende Krankheit, die von Prostituierten übertragen wird.  Wer erkrankt und das Fieber überlebt, der ist in vielen Fällen alles andere als glücklich, denn das Geschlecht wird durch Morbus Konstantin verändert. Eine Heilung ist nicht in Sicht. Männer die zu Frauen werden und Frauen die zu Männern werden, werden von ihren Familien verstoßen, tauchen unter und beginnen ein neues Leben oder versuchen weiterhin die Illusion sie hätten nie eine Geschlechtsumwandlung durchlaufen aufrecht zu erhalten.  Nichts ist mehr ist wie es scheint. Selbst der Prinzgehmal Prinz Albert hat sich angesteckt und sitzt seitdem wegen Ehebruch in Haft. Die Gesellschaft ist einem Umbruch bisher ungekannten Aufmaßes.
In dieser Welt lebt Ellie Skyler, deren Verlobter noch vor der Hochzeit verstorben ist. Aus einer soliden Mittelschichtfamilie stammend, aber ohne eignes Vermögen, hat sie sich mit einer Zukunft als Alte Jungfer abgefunden und verdient sich ihren Lebensunterhalt selber. Ausgerechnet den alles andere als schicklichen Beruf einer Journalistin hat sie sich ausgesucht und deckt einen Skandal nach dem nächsten auf.
Lord Pembroke Halliday lebt zwar in der gleichen Stadt wie Ellie, aber in einer ganz anderen Welt. Als jüngster Sohn eines Marquis musste er sich um Geld nie sorgen machen und tut sein bestes seine Familie nicht nur mit seinem Alkoholkonsum, sondern auch mit allerlei Skandalen zu brüskieren. Dazu zählt auch seine Leidenschaft als Detektiv verbrechen aufzuklären.
Der Schreibstil des Autors ist lebendig und lässt das alte und trotzdem neue London vor den Augen der Leser auferstehen. Von mechanischen Prosituierten bis zu Gehstöcken mit eingebauten Elektroschockern sind die erstaunlichsten Erfindungen in seiner Welt zu Hause. Dabei lässt er die gesellschaftlichen Regel und Gepflogenheiten des viktorianischen Englands an keiner Stelle außer Acht.
Ellie Skyler ist getrieben von einer unstillbaren Neugier und dem Drang immer die Wahrheit ans Licht zu bringen. Seit dem Tod ihres Verlobten hat sie sich zwar mit einem Leben als Alte Jungfer abgefunden, aber zu den Alten Eisen zählt sie deshalb noch lange nicht. Gegen alle gesellschaftlichen Wiederstände geht sie unbeirrbar ihrer Arbeit als Journalistin nach. Besonders angetan hat es die geheimnisvolle Krankheit Morbus Konstantin mit all ihren Folgen. Trotz ihres unabhängigen Wesens tut sich Ellie schwer damit gesellschaftlich Strukturen zu kritisieren und vollkommen aufzubrechen. Die meiste Zeit bewegt sie sich immer gerade so im Bereich dessen, was eine Frau tun darf, ohne ihren Ruf vollkommen zu ruinieren. Vorurteile sind Ellie ziemlich fremd. Sie bewertet die meisten Menschen danach, wie sie sich ihren Mitmenschen und ihr selbst gegenüber verhalten. Nicht danach ob sie Männer oder Frauen sind, welchen Beruf sie ausüben oder was sie früher einmal waren. Oft wünscht sie sich jedoch mutiger und unbekümmerter zu sein und tun und wirklich zu tun und zu lassen was sie möchte, ohne das ihr jemand, aufgrund ihres Geschlechts Vorschriften macht.
Lord Pembroke Halliday, genannt Pimm, ist in der Londoner Gesellschaft vor allem für seinen exzessiven Alkoholkonsum, seine Abneigung dagegen sich häuslich niederzulassen und seine Begeisterung für Kriminologie bekannt. Auch wenn seine Frau völlig unbekannt ist und aus keiner angesehen Familie stammt, so hoffte seine Familie doch, dass seine Heirat seinen Hang zu Skandalen zügeln könne, vergeblich. Doch sie wissen auch nicht, wenn Pimm geheiratet hat. Die Ehe ist eine reine Zweckehe und Pimm behauptet gern, er habe irgendeinem Mädchen so das Unglück erspart ihn heiraten zu müssen. Den Tod seiner großen Liebe hat er nie überwunden und seitdem flüchtet er sich in den Alkohol. Pimm ist selten nüchtern, aber ständig betrunken anzutreffen.
Lady Winifred, ihren Freunden jetzt als Winnie und Pimms Ehefrau bekannt, hieß früher einmal Freddy und ist seit ihrer gemeinsamen Schulzeit Pimms bester Freund. Freddy erkrankte an Morbus Konstantin und wurde zu einer Frau. Seine Familie hätte das nie akzeptierter, ihn enterbt und verstoßen. Also täuschte Freddy seinen Tod vor und ging eine Scheinehe mit Pimm ein. Sich in die Rolle einer Frau einzufinden war alles andere als einfach und hat dafür gesorgt das Winnie nicht nur besonders unabhängig und freidenkerisch ist, gerne die feine Londoner Gesellschaft schockiert, eine Verfechterin der Frauenrechtsbewegung ist, sondern auch als begnadete Bastlerin die ungewöhnlichsten Waffen entwickelt.
Adam ist ein Mann und doch wieder nicht. Er ist künstlich geschaffen und von seinem Schöpfer verstoßen worden. Ungewöhnlich groß, stark und intelligent, aber auch von einem erschreckendem äußeren lebt er einsam und zurückgezogen. Getrieben von dem Gedanken seine große Liebe zu erschaffen um nie wieder alleine zu sein, führt Adam die merkwürdigsten Versuche durch.

Fazit
Schon seit Jahren habe ich keinen Steam Punk Roman mehr gelesen. Da wurde es ja mal wieder Zeit! Besonders gereizt hat mich die Idee des Morbus Konstantin. Selbst unsere Gesellschaft würde durch eine Krankheit, bei der man das Geschlecht wechselt, vor einige Probleme gestellt. Aber im viktorianischem England, als das Leben in den vielen Bereichen noch streng nach Geschlechtern getrennt war, Frauen über kaum Rechte verfügten und das Erbrecht Patrilineal war, wäre der Effekt den eine solche Krankheit hätte unglaublich gewesen. Erst recht, wenn diese Krankheit sexuell übertragbar ist und in der Regel von Prostituierten an ihre Freier und von denen an ihre Ehefrauen weitergegeben wird. Was wären nur für Skandale durch seine Krankheit ausgelöst worden? Die Umsetzung ist dem Autor wirklich genial gelungen. Niemand wird von Morbus Konstantin verschont, auch Reichtum schützt davor nicht. Im Gegenteil, besonders die wohlhabenden Freier exklusiver Prostituierter sind betroffen. Selbst Prinz Albert sitzt wegen Ehebruch in Haft und beteuert seine Unschuld. Zu Recht?
Die ganze Verschwörung rund um Morbus Konstantin ist wirklich spannend und mal ein Kriminalroman der ganz anderen Art. Dazu kommen noch die lebendigen Figuren, denen man gerne durch die Geschichte folgt. Auch wenn Pimm und Ellie die Protagonisten sind, Freddy/ Winnie hat es mir besonders angetan. Einfach eine klasse Persönlichkeit!
Dazu ist das Buch noch gespickt mit allerlei, mehr oder weniger auffälligen Anspielungen auf annährend zeitgenössische Literatur. Nachdem ich erst vor kurzem Frankenstein gelesen habe, ist mir sein, gar nicht so furchterregendes Monster,  hier wieder begegnet. Als großer Lovecraft Fan hat mich auch das Auftreten seiner Schöpfungen begeistert. Wäre er doch nur schon ein paar Jahrzehnte eher geboren, dann hätte er was erleben können.

Diese Buch folgt einer völlig verrückten Idee, die es nicht nur genial, sondern auch einzigartig macht. Wenn ihr mal was ganz anderes lesen wollt, als das was ihr schon kennt, dann habt ihr hier das ideale Buch gefunden.

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